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EPOCHEN: NEO NOIR

Neo-Noir ist, wie der Begriff Film noir selbst, ein im Nachhinein geprägter Fachbegriff der Filmkritik, unter dem in Deutschland üblicherweise Filme seit den frühen 1980er Jahrenzusammengefasst werden, die die Tradition des klassischen Film noir fortführen.

International spricht man dagegen beim Film Noir von den Filmen dieses Genres in den USA in den 40er und 50er Jahren, wodurch der Zeitraum für Neo Noir dort bereits in den frühen 60er Jahren beginnt

Während man mit Neo-Noir in Deutschland also Filme bezeichnet, die bis zu 20 Jahre nach der aktuellen Entwicklung die typischen visuellen und narrativen Elemente des Film noir nur noch weiter ausvariieren (wie Heißblütig – Kaltblütig, 1981) oder sogar nur noch schlicht reproduzieren (etwa L.A. Confidential, 1997).

Nach meinem persönlichen Erleben war der Höhepunkt des Neo-Noir 1986 mit "Blue Velvet" von David Lynch erreicht, dessen Radikalität bis dahin nicht erreicht worden war.

Darauf aufbauend folgte eine Phase des Ausfeilens und der qualitativen Ausgestaltung, auch durch die neuen technischen Möglichkeiten. Allerdings hatten diese noch eine gewisse Sterilität, so dass ein weiterer Höhepunkt mit John Woos Face/Off (1997) heute eben nicht radikal, sondern fast etwas geschmäcklerisch wirkt.

Wir wollen darum für unsere Betrachtung einer neuen Phase, die man vielleicht als das Neo-Neo-Noir bezeichnen könnte, vor allem die Zeit ab 2003/2004 in den Vordergrund stellen, in denen Quentin Tarantino mit Kill Bill Volume I & II einen wesentlichen Einschnitt darstellt.

Im Kino war bis dahin besonders der asiatische Film nur in wenigen Einzelfällen rezipierbar, während "Kill Bill" plötzlich von einer langen Reihe von "Vengeance"-Filmen erzählte, die man in Deutschland gar nicht gesehen hatte oder wahrnehmen konnte.

Merkmale wie ein fast unreflektiert wirkender Griff zu extremen Gewaltdarstellungen, wie auch der massive Einsatz einer Vielzahl neuer filmischer Mittel, bis hin zur vierstündigen Spielzeit waren damals neu und überraschten.

Und doch trat Tarantino mit einer solchen Gewissheit und (Film)-Geschichtsbewusstheit auf, dass auch damit eine Phase spürbar zu Ende ging, die Tarantino allerdings sehr bewusst aufgerufen, zitiert und zu Ende gedachte hat.

Wie gerne würde man dieses Gefühl auch bei John Wick bekommen, der aber besonders im 4. Teil fast schon ein bisschen die Funktion eines Testamentsverwalter seiner eigenen Bewegung einnimmt. Davon erzählen auch die Wünsche der Produzenten, die von einer neuen Kampfweise sprechen, die etwas "Frische" in die Reihe bringen sollen, und die mit dem Spin-Off "Ballerina" ja schon beinahe ihr eigenea Ende ankündigen. Vielleicht lässt sich so vermeiden, dass die John-Wick-Reihe noch selbstreferenieller wird. Dieses Schicksal aller Reihen ist bei Bond durch Ironie immer noch am besten gebändigt - bei Mission Impossible war der Untergang der Reihe durch eine gewisse ziellose Schweingewissheit ja gerade erst live mitzuerleben.